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Ein Plädoyer für mehr Bauchgefühl

Aktualisiert: 12. Juli

Die Darm-Hirn-Achse: Wie Darm und Mikrobiota das Gehirn und die Psyche beeinflussen


Die Naturheilkunde, Ausgabe 3/2024, Maxi Christina Gohlke, Heilpraktikerin, Medizinautorin


„Das habe ich aus dem Bauch heraus entschieden“ oder „die Nachricht muss ich erstmal verdauen“: Redewendungen belegen die enge Beziehung zwischen Darm, Hirn und Psyche. Dennoch gingen Medizin und Wissenschaft lange von einer strikten Aufgabenteilung aus: Fürs Denken und Fühlen war das Gehirn zuständig, während der Darm sich um die Verdauung zu kümmern hatte. Erst in den letzten Jahren rücktedie enge Beziehung der beiden immer mehr in den Fokus der Forschung. Und dabei zeigte sich, dass unser Verdauungsorgan nicht nur an Denkprozessen und Entscheidungen einen großen Anteil hat, sondern auch für unsere psychische Gesundheit und unser emotionales Wohlbefinden eine wichtige Rolle spielt. Der Informationsaustausch funktioniert über ein komplexes Kommunikationsnetzwerk, die sogenannte Darm-Hirn-Achse. Sie verbindet das enterische Nervensystem (ENS) im Gastrointestinaltrakt mit dem zentralen Nervensystem (ZNS) im Gehirn und Rückenmark. Und damit nicht genug: Endokrines System, Immunsystem und Darmflora haben bei der Kommunikation ebenfalls ein ordentliches Wörtchen mitzureden.

 

Die Darm-Hirn-Achse: so teilt sich das Bauchgefühl mit

 

Die schnellste Verbindung der Darm-Hirn-Achse stellt der Vagusnerv dar. Der zehnte Hirnnerv bildet sozusagen eine telefonische Standleitung zwischen Bauchhirn und Kopfhirn. Gleichzeitig ist er der wichtigste Ast des parasympathischen Nervensystems, das für „Rest and Digest“, also Erholung und Verdauung zuständig ist. Bezeichnender Weise führt aber nur ein kleiner Teil seiner Nervenfasern zum Verdauungstrakt hin (efferent). Etwa 80 bis 90 Prozent der Fasern sind afferent, reichen also vom Darm zum Gehirn. Auf diese Weise beeinflussen viszerale Signale zahlreiche Hirnfunktionen, insbesondere die neuronale Entwicklung, die Regulation von Stress, das Gedächtnis, das Verhalten, die Kognition und die Verarbeitung von Emotionen. (1)

 

Neben der Standleitung über den Vagusnerv kommunizieren Darm und Hirn über ein ausgeklügeltes System von Botenstoffen wie Hormone, Neurotransmitter und Zytokine. Sie werden über die Blutbahn verschickt, was etwas langsamer, aber dafür nachhaltiger als ein Nervenimpuls funktioniert. Serotonin, Dopamin oder GABA sind dabei maßgeblich für das emotionale Wohlbefinden und die psychische Gesundheit verantwortlich. Und sie melden ans Gehirn, dass im Darm alles in Ordnung ist. Oder eben auch nicht. (2)

 

Die Darmflora mischt kräftig mit

 

Eine Schlüsselrolle bei der Darm-Hirn-Kommunikation spielen die Billionen von Bakterien, Viren und Pilze der Darmflora. Sie sind nicht nur für die Aufnahme von Nahrungsbestandteilen und Mikronährstoffen zuständig, sondern produzieren kurzkettige Fettsäuren, Gewebehormone, Neurotransmitter und deren Vorläufer, die direkt in die biochemische Signalisierung des Gehirns eingreifen können. Genau genommen müsste man also von der Darm-Hirn-Mikrobiom-Achse sprechen. (1)

 

Unter den Darmbakterien gibt es eine Menge Spezialisten: Für die Produktion des Serotoninvorläufers Tryptophan ist beispielsweise das Bifidobacterium infantis zuständig, Lactobacillen und Bifidobakterien produzieren GABA und Acetylcholin, während Escherichia coli Dopamin herstellen. (3) Ein Ungleichgewicht in diesem fragilen Ökosystem hat deshalb viel weitreichendere Folgen als „nur“ Verdauungsprobleme. Zahlreiche Forschungen der letzten Jahre deuten darauf hin, dass Störungen der Darmmikrobiota für eine Vielzahl von Krankheiten und psychischen Störungen zumindest mitverantwortlich sein könnten, darunter chronische Darmerkrankungen, Diabetes, Adipositas, Essstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depression, Demenz und sogar Autismus. (1,3,4)

 

Entstehen psychische Probleme im Darm?

 

Die Bedeutung der Darm-Hirn-Achse für die psychische Gesundheit wird durch experimentelle Studien gestützt, die zeigen, wie eine Manipulation der Darmflora das Verhalten und die Stimmung beeinflussen kann. In Tierversuchen konnten Dysbiosen mit Angst, Depression und sogar Autismus ähnlichen Verhaltensweisen in Verbindung gebracht werden. In einer vielbeachteten Studie aus dem Jahr 2011 wurde einer Gruppe von friedlichen Mäusen das Mikrobiom von aggressiven Tieren verabreicht und umgekehrt. Daraufhin entwickelten die bis dato friedlichen Mäuse aggressive Verhaltensmuster, während die anderen friedfertiger wurden. (5)

 

Wie stark der Darm die Stimmung beeinflusst, zeigt sich auch am Serotonin, unserem „Wohlfühl- und Glückshormon“. Ein Mangel führt zu Ängsten, gedrückter Stimmung und Schlafstörungen. Die meisten Antidepressiva wirken entsprechend über eine Anhebung des Serotoninspiegels. Tatsächlich findet sich die höchste Konzentration aber nicht im Gehirn, sondern im Darm, wo etwa 95 Prozent des Serotonins von den Darmbakterien produziert wird. (1)

Mehrere klinische Studien haben inzwischen gezeigt, dass die Einnahme von probiotischen Nahrungsergänzungsmitteln zu einer Verbesserung der Stimmung und der Stressbewältigung führen kann. Auch das Phytotherapeutikum Curcumin kann durch seinen positiven Einfluss auf die Darmflora Angst und depressive Symptome verbessern, wie eine Metanalyse bestätigt hat. Eine Darmsanierung könnte entsprechend eine sinnvolle Begleitmaßnahme sein bei Depression und vielen anderen psychischen Beschwerdebildern. (6,7,8,9)

 

Darm und Immunsystem: Warum die Grippe schlechte Laune macht

 

Etwa 80 Prozent unserer Immunzellen sitzen im Darm. Das macht durchaus Sinn, denn die meisten Keime gelangen über den Gastrointestinaltrakt in unseren Körper. Die Darmbarriere, bestehend aus Darmflora, Mukosa, Darmzellen und Darmimmunsystem, sorgt dafür, dass Krankheitserreger und Schadstoffe nicht in die Blutbahn übergehen können. Wird sie dennoch überwunden, tritt das Immunsystem auf den Plan und es kommt zur Ausschüttung von Histamin.

 

Das Immunsystem im Darm hat auch einen großen Einfluss auf das emotionale Wohlbefinden. Der Grunddafür sind entzündungsfördernde Zytokine. Sie verursachen nicht nur Fieber, Entzündung und Muskelschmerzen, sondern machen auch antriebslos und reizbar. So sorgen sie dafür, dass der Patient seine sozialen Kontakte einschränkt, sich ausruht und niemand anderen ansteckt. Die schlechte Laune bei einem grippalen Infekt ist also kein Zufall, sondern ein raffinierter Schachzug des Immunsystems. Heute gilt als gesichert, dass Interferon und andere Zytokine nicht nur depressionsartige Symptome hervorrufen, sondern im tatsächlichen Sinn Depressionen auslösen können. Das Immunsystem muss damit als ein weiterer wichtiger Teil der Darm-Hirn-Verbindung gesehen werden. (2,10)

 

Stress stört die Darm-Hirn-Kommunikation

 

Langfristige Belastungen wie chronische Entzündungen im Darm oder Stress sind für dieses System besonders schlecht. Es kommt bei einer Störung der Darmbarriere zur Aktivierung des Darmimmunsystemsund zur Ausschüttung von Histamin. Chronischer Stress mindert die Diversität der Mikrobiota und führt zu einem Mangel an Neurotransmittern, Hormonen und Mikronährstoffen. Darüber hinaus aktivieren Stresshormone das sympathische Nervensystem und hemmen den Vagusnerv. Dauerstress erschwert damit eine reibungslose Darm-Hirn-Kommunikation. (1)

 

Was stärkt die Darm-Hirn-Achse?

 

Eine Therapie sollte darauf abzielen, das Gleichgewicht im Darm wiederherzustellen, Entzündungen zu reduzieren und neurologische und psychische Funktionen zu verbessern. Das funktioniert über unterschiedliche Wege: Stressreduktion durch Entspannungstechniken wie Yoga oder Meditation oder gegebenenfalls Psychotherapie können ebenso hilfreich sein wie eine Umstellung der Ernährung auf ausgewogene, ballaststoffreiche Kost und eine Beseitigung der Dysbiose.

 

Zur Darmsanierung stehen neben Pro- und Präbiotika auch wirksame pflanzliche Präparate mit dem Wirkstoff Curcumin zur Verfügung. Studien haben den positiven Effekt auf die Zusammensetzung der Darmflora gezeigt. Dabei ist Curcumin allgemein gut verträglich und verursacht, anders als Präbiotika, auch zu Beginn der Darmtherapie kaum Blähungen. Das Polyphenol Curcumin hat darüber hinaus eine stark antientzündliche und antioxidative Wirkung. Es wirkt sich auch auf die anderen Ebenen der Darmbarriere positiv aus, indem es die Darmschleimhaut schützt, die Darmzellen versiegelt, das Immunsystem stärkt und den Ausstoß von Histamin reduziert.

Allerdings sollte bei der Wahl des Mittels auf gute Bioverfügbarkeit geachtet werden. Handelsübliches Curcuma-Gewürzpulver ist zu therapeutischen Zwecken nicht geeignet. Expert:innen empfehlen hochwertige Extrakte mit optimierter Bioverfügbarkeit, wie beispielweise im Darm-Care Curcuma BioaktivTonikum von der Firma Salus. Neben Curcumin finden sich darin wichtige Vitamine und Mineralstoffe, die Darm und Immunsystem stärken und auf diese Weise zu einem besseren Bauchgefühl beitragen können. (11,12,13,14)

 

Fazit

Die Darm-Hirn-Achse ist keine Einbahnstraße, sondern verläuft in beide Richtungen und über viele unterschiedliche Kanäle. Vor allem der Einfluss der Mikrobiota im Darm auf Gehirn und Psyche ist lange unterschätzt worden. Alle Maßnahmen, die die Darmflora wieder in eine natürliche Balance bringen, sind deshalb gut geeignet, das Bauchgefühl zu stärken und für eine reibungslose Kommunikation zwischen allen Beteiligten zu sorgen.

 




Quellenverzeichnis:

 

1 Mantwill, Elke: Die Darm-Hirn-Achse Bidirektionale Kommunikationswege und die Bedeutung von Stress-Aktuelle Erkenntnisse, labordiagnostische Verfahren und Fallbeispiele; Webinar bei Ganzimmun am 23.04.2022; Abrufbar über Ganzimmun.de

 

2 Hasler Gregor: Die Darm-Hirn-Connection: Revolutionäres Wissen für unsere psychische und körperlicheGesundheit; Hörbuch-Version Audible Studios 2020;

 

3 Lang, Undine: Die Hirn Darm Achse bei psychiatrischen Erkrankungen, Schweizerische Gesellschaft fürErnährung, 02.09.2022, Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel;

 

4 DGVS Update S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom, Juni 2021 – AWMF-Registriernummer: 021/016, www.dgvs.de/wp-content/uploads/2021/07/Leitlinie-RDS_20210629_final.pdf

 

5 Bercik P. et al. The Intestinal Microbiota Affect Central Levels of Brain-Derived Neurotropic Factor andBehavior in Mice; Published: May 02, 2011DOI:https://doi.org/10.1053/j.gastro.2011.04.052

 

6 Schaub A.C., et al. Clinical, gut microbial and neural effects of a probiotic add-on therapy in depressedpatients: a randomized controlled trial. Transl Psychiatry. 2022 Jun 3;12(1):227. doi: 10.1038/s41398-022-01977-z. PMID: 35654766; PMCID: PMC9163095.

 

7 Tillisch K. et al.: Consumption of Fermented Milk Product With Probiotic Modulates Brain Activity; Gastroenterology, VOLUME 144, ISSUE 7, P1394-1401.E4, JUNE 2013; DOI:https://doi.org/10.1053/j.gastro.2013.02.043

 

8 Jiang H. et al. Altered fecal microbiota composition in patients with major depressive disorder. Brain BehavImmun. 2015 Aug;48:186-94. doi: 10.1016/j.bbi.2015.03.016. Epub 2015 Apr 13. PMID: 25882912.

 

9 Fusar-Poli L. et al. Curcumin for depression: a meta-analysis. Crit Rev Food Sci Nutr. 2020;60(15):2643-2653. doi: 10.1080/10408398.2019.1653260. Epub 2019 Aug 19. PMID: 31423805.

 

 10 Drevets W.C. et al. Immune targets for therapeutic development in depression: towards precisionmedicine. Nat Rev Drug Discov. 2022 Mar;21(3):224-244. doi: 10.1038/s41573-021-00368-1. Epub 2022 Jan 17. PMID: 35039676; PMCID: PMC8763135.

 

11 Scazzocchio B et al. Interaction between Gut Microbiota and Curcumin:

A New Key of Understanding for the Health Effects of Curcumin. Nutrients, 2020. 12(9).

 

12 Ghosh SS et al.: Curcumin-mediated regulation of intestinal barrier function: The mechanism underlyingits beneficial effects. Tissue Barriers, 2018. 6(1): p. e1425085

 

13 Zhao HM et al.: Curcumin improves regulatory T cells in gut-associated lymphoid tissue of colitis mice. World J Gastroenterol. 2016 Jun 21;22(23):5374-83.

 

14 Jäger, R. et al. Comparative absorption of curcumin formulations. Nutr J 13, 11 (2014). https://doi.org/10.1186/1475-2891-13-11




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